Was ist Thujon?

Thujon - die Wunderdroge?

Viele Hersteller unauthentischer Absinthe machen Werbung mit dem Thujongehalt ihrer Produkte. Es soll der Eindruck entstehen, Thujon habe besondere Rauschwirkung. Spirituosenhändler erzählen ihren Kunden, ein hoher Thujongehalt sei ein Qualitätsmerkmal von Absinth.

Es wird oft behauptet, originaler Absinth aus den frühen 1900ern hatte einen wesentlich höheren Gehalt an Thujon als heute erlaubt ist. Es gibt sogar Gerüchte, dass illegal hergestellte Absinthe auch heute noch besonders viel Thujon enthalten.

Stimmt das alles?

Versuchen wir es einmal mit ein wenig Logik:
Oft wird in der Presse über Polizeioperationen berichtet, bei denen illegale Drogenlieferungen beschlagnahmt werden.
Wann haben Sie das letzte mal von einer geplatzten Drogenlieferung gehört, bei der Thujon beschlagnahmt wurde?

Thujon ist keine Wunderdroge.

Aber was ist Thujon dann?

Thujon - die Marketinglüge.

Thujon ist ein Nervengift, das in einigen Pflanzen vorkommt. Der bei der Herstellung von Absinth verwendete Wermut enthält Thujon. Durch die Mazeration (Einlegung) des Wermuts gehen Teile des Thujon in den Absinth über. Andere Pflanzen, die Thujon enthalten, sind beispielsweise Wacholder, Beifuß, Oregano und Salbei.

In hohen Dosen, oder in konzentrierter Form als ätherisches Öl ist Thujon toxisch. Symptome der Thujonvergiftung können epileptische Krämpfe, Verwirrtheit, Wahnvorstellungen und Nierenversagen sein.[1]

Diese giftigen Eigenschaften von Thujon spielten eine große Rolle beim Verbot des Absinth in den frühen 1900ern (siehe Geschichte des Absinth).
Die krankhaften Erscheinungen bei chronischem Absinthkonsum wurden damals als "Absinthismus" bezeichnet. Als Symptome nannte man unter anderem epileptische Krämpfe, Sprachstörungen, Schlafstörungen, geistige Erschöpfung.
Da diese Symptome vergleichbar mit Thujonvergiftung waren, wurde Thujon als Hauptursache für Absinthismus angesehen.

Heute geht man allerdings davon aus, dass Absinthismus nichts weiter als Alkoholismus und einhergehende Entzugserscheinungen war.[2]

Wir wissen heute, dass frühe Schätzungen des Thujongehalts in originalen Absinthen falsch waren.[3] Messungen haben ergeben, dass der Thujongehalt in historischen Absinthen nicht wesentlich höher als in modernen Absinthen war, die unter aktueller EU-Richtlinie zulässig sind.[4] Diese liegt bei maximal 35 mg pro Kilogramm (für Bitter-Spirituosen). Das bedeutet, der Anteil von Thujon im Absinth bewegte sich damals und heute im millionstel-Bereich.

Um einen spürbaren Effekt des Thujons festzustellen, müsste man so viel Absinth trinken, dass man vorher an akuter Alkoholvergiftung sterben würde.

Dann ist der Absinthrausch also nur durch den Alkohol bedingt?

Viele Absinthgenießer schreiben dem Absinth eine einzigartige Wirkung zu, die sonst kein anderes alkoholisches Getränk hervorrufen kann.
Tatsächlich enthält authentischer Absinth einige Kräuter, die sich auf die Stimmung auswirken können sollen. Man sagt, Anis kann den Kopf klären und Magenbeschwerden lindern. Wermut soll günstige Auswirkungen auf die Verdauung haben. Fenchel soll schmerzlindernde Eigenschaften haben und das Gemüt beruhigen können. Und je nach Rezept werden noch andere Kräuter verwendet, die ihrerseits ihren Platz in der traditionellen Heilmedizin haben.

Allerdings reden wir hier offensichtlich von Wirkungen, die man auch bei besseren Kräutertees findet.

Ob die spezielle Kombination all dieser Kräuter mit dem Weinalkohol eine Wirkung hervorruft, die sich nicht als die einfache Summe ihrer Teile erklären lässt, sei dahingestellt. Betrachtet man den wissenschaftlich fundierten Wissensstand, sollte allerdings kein Zweifel bleiben - die einzige Rauschwirkung des Absinthes wird tatsächlich ausschließlich durch den Alkohol verursacht.

Dass Absinth durch den im Wermut enthaltenen Thujon schwerwiegende Erkrankungen hervorruft war ein politisierter Irrtum.

Und dass Thujon bemerkenswerte Rauschwirkungen hat ist nichts als unseriöser Marketing-Unfug.